Die Planung von Rad- und Fußwegen in der Stadt ist eine echte Herausforderung – wie gelingt die perfekte Balance zwischen Platz, Sicherheit und Komfort? Mehr denn je erfordert sie umfassende Informationen und Fachwissen, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Zum Beispiel: Wie breit sollte ein Fußgängerüberweg sein? Wie groß sollte die Kurvenführung eines Radwegs sein? Wie hoch sollte die erlaubte Geschwindigkeit sein, und ist der Radweg für den Gegenverkehr ausgelegt?
Diese vermeintlich technischen Fragen führen zu einer zentralen Herausforderung: Wie lässt sich der öffentliche Raum gerecht auf alle Verkehrsteilnehmenden verteilen?
Sie werfen Fragen auf wie:
- Wie bewegen sich die Menschen heute in meiner Stadt fort?
- Entspricht die Aufteilung der Infrastruktur einer fairen und bedarfsgerechten Nutzung? Sollten Städte an die aktuelle Mobilität angepasst sein oder an die, die wir uns für die Zukunft wünschen?
Diskussionen zu all diesen Themen können herausfordernd sein und verschiedene Interessengruppen einbeziehen: Anwohnende, Geschäftsbetriebe, Fahrzeugnutzer:innen, Radfahrende, Fußverkehr usw.
Es gibt keinen besseren Weg, die richtigen Antworten zu finden, als mit konkreten, realen Daten!
Im Folgenden sind einige datengestützte Überlegungen zur Neugestaltung von Rad- und Fußwegen zusammengefasst.
Wer bekommt wie viel Platz? Eine faire Verteilung der Straßenräume für alle Fortbewegungsarten.
Studie in Plateau Mont-Royal in Montreal, Kanada
Um diese Fragen zu beantworten, haben wir im Viertel Plateau Mont-Royal in Montreal (wo sich auch unsere kanadische Niederlassung befindet 👋) eine Studie durchgeführt, um den Anteil von Fahrrädern, Autos und Fußverkehr zu messen.
Eine erste temporäre Datenerhebung wurde von April bis Oktober 2018 auf 19 Straßen durchgeführt, wobei alle zwei Wochen erfasst wurde (Autos, Fußverkehr und Fahrräder).
Hier sind die Rohdaten, die auf den Hauptstraßen des Viertels gesammelt wurden:
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Temporäre Daten, die an verschiedenen Standorten im Zeitraum April-Oktober erhoben wurden: Fußgängerverkehr in Grau, Fahrradverkehr in Grün.
Temporäre Zähler haben 1,48 Millionen Durchfahrten erfasst, davon:
- 17,5 % Radfahrer
- 55,5 % Autos
- 27 % Fußgänger
Anhand dieser Kurzzeitverkehrszählungen wurde der durchschnittliche jährliche Tagesverkehr (Average Annual Daily Traffic, AADT) mithilfe einer von Fachleuten geprüften Referenzmethodik hochgerechnet. Mehr dazu ist hier einsehbar.
.
Diese Hochrechnung ermöglichte eine zuverlässige jährliche Schätzung des Gesamtverkehrs für den Zeitraum und das erfasste Gebiet, sowie die Bestimmung des Fortbewegungsmittels jeder Nutzergruppe. Es zeigte sich, dass Autos 56 % Anteil hatten, Fußverkehr 32 % und Radfahrende 12 %.
Saisonale Schätzungen / April – 15. November
Saisonale Schätzungen für Fahrräder, Autos und Fußverkehr erfolgten täglich für jede Straße durch Hochrechnung der Kurzzeitzählungen. Details zur Methodik finden sich im Anhang (S. 37-39). Untenstehend die gesammelten Schätzungen für das gesamte Erfassungsgebiet.
21.063.000 geschätzter komplett erfasster Verkehr
2,5 Millionen vorbeifahrende Fahrräder 11,8 Millionen vorbeifahrende Autos 6,7 Millionen zu Fuß gehende Personen
Fortbewegungsart Fußverkehr 32 % Fahrräder 12 % Autos 56 %
Die Daten ermöglichten auch, die lokale Verteilung der Nutzergruppen pro Straße zu bestimmen. Um die Frage nach der Gerechtigkeit zwischen den Verkehrsteilnehmenden und dem zugewiesenen Raum zu beantworten, wurde auf einigen Straßen der Raumanteil für jede Fortbewegungsart gemessen.
Verteilung des Straßenraums nach Fortbewegungsart
2 m Bürgersteig 1,8 m Parkstreifen 8 m Autostraße 1,5 m Fahrradweg 1,8 m Parkstreifen 2 m Bürgersteig
Ergebnisse
In der Laval Avenue machten Radfahrende 35 % aller Nutzergruppen aus, doch der ihnen zur Verfügung stehende Raum betrug nur 12 % der gesamten Straßenbreite!
Laval Avenue – Infrastruktur für Fahrradverkehr
auf der Straße
Verteilung des Straßenraums vs. Fortbewegungsart
Raum Bürgersteig 44 % Fahrräder 12 % Fahrspur 23 % Parkspur 21 %
Art Fußverkehr 36 % Fahrräder 35 % Fahrzeuge 29 %
3,7 m Bürgersteig 1,8 m Parkplätze 2 m Fahrradstreifen 1,8 m Parkspur 4 m Bürgersteig
„35 % der Verkehrteilnehmenden sind Radfahrer:innen. Sie bekommen 12 % des gesamten vorhandenen Straßenraums.“
In der Clark Street, die über keine Radwege verfügt (0 % des Raums war ausschließlich für Fahrräder reserviert), machten Fahrräder dennoch im Untersuchungszeitraum 32 % der Nutzung aus.
Verteilung des Straßenraums vs. Fortbewegungsart
Raum Bürgersteig 30 % Verkehrsstraße 43 % Fahrzeuge 70 % Parkplätze 27 %
Art Fußverkehr 49 % Fahrräder 32 % Fahrzeuge 19 %
2 m Bürgersteig 1,8 m Parkplätze 5,8 m Straße 1,8 m Parkplätze 2 m Bürgersteig
„Auf der Clark sind 49 % der Nutzergruppen Fußverkehr und 32 % Fahrräder. Nur 19 % der Straßennutzung erfolgt durch motorisierte Fahrzeuge.“
Der Sonderfall Rue Saint Denis
Als diese Studie 2018 durchgeführt wurde, gab es auf der Rue Saint Denis keine Radwege und der Radverkehr machte 4 % der Gesamtnutzung aus (ein relativ niedriger Wert im Vergleich zu anderen Straßen).
Verteilung des Straßenraums vs. Fortbewegungsart
Raum Bürgersteig 27 % Fahrspur 54 % Fahrzeuge 73 % Parkplätze 19 %
Art Fußverkehr 28 % Fahrräder 4 % Fahrzeuge 68 %
Nach der Einführung des Express Bike Network in Montreal und des Economic Recovery Plan (ein Plan zur Stärkung der Wirtschaft) wurden die Flächen erheblich umverteilt, wobei 54 % für Fußgänger und Grünflächen und 15 % für Radfahrer vorgesehen sind.
Um die Auswirkungen der Umgestaltung abzuschätzen, aktualisierten wir von Eco-Counter unsere Studie aus dem Jahr 2018 mithilfe neuerer permanenter Zähldaten, die auf dem offenen Datenportal der Stadt einsehbar sind.
Eine Vorher-Nachher-Analyse der Daten (2018 vs. 2021) zeigte, dass der Rad- und Fußverkehr durch die Umstrukturierung zugenommen hatte: Zwischen 2018 und 2021 stieg der Fußverkehr um 9 %, der Radverkehr um 250 %!
Saint-Denis / Duluth durchschnittliche jährliche Verkehrsaufkommen nach Fortbewegungsart
Zählungen
Fußverkehr (AADP)
Fahrrad (AADB)
Seit 2022 entwickelt sich zudem ein interessanter Trend: An Wochentagen klettert der Radverkehr nachmittags auf einen signifikanten Spitzenwert. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass Radfahrer:innen nach der Arbeit weniger in Eile sind und eine angenehmere und sicherere Route nach Hause wählen, auch wenn dies einen kleinen Umweg bedeutet.
Das Ergebnis? Der Radverkehr hat sich an Wochentagen nachmittags im Vergleich zu 2018 verfünffacht!
Gleichzeitig wurde die lokale Wirtschaft mit der Eröffnung von 37 neuen Geschäften im Jahr 2021 wiederbelebt sowie mit einer Belegungsrate von Geschäftsräumen von 75 % im Jahr 2019 auf 85 % im Jahr 2023. Diese Zahlen stimmen mit Studien überein, die zeigen, dass die Entwicklung aktiver Mobilitätsformen gut für den lokalen Handel ist.
Gestaltung von Radwegen
Eine weitere zentrale Frage, die Organisationen bei der Planung von neuer Infrastruktur für aktive Mobilität berücksichtigen, lautet: Wie breit sollten Radwege sein?
Auch hier können Daten wertvolle Hilfestellung geben.
Wenn es um die Dimensionierung von Radwegen geht, bieten Organisationen wie die NACTO umfassende Leitlinien zu bewährten Verfahren für jede Situation, beispielsweise ihren Urban Bikeway Design Guide.
Für Radwege, die an Bürgersteige grenzen, empfiehlt die NACTO eine Breite von etwa 1,8 Meter.
Es ist jedoch auch eine bewährte Praxis, Radwege in Bereichen mit hohem Radverkehrsaufkommen zu verbreitern. Wie breit sollte der Radweg also wirklich sein? Um das herauszufinden, muss man zählen!
Bildnachweis: NACTO
- Erwünschte Breite: ca. 1,8 m
- Wo immer möglich, Breite des Parkstreifens minimieren, um der Fahrradspur mehr Platz zu geben
- Bike Lane
- Abgrenzung zwischen Fahrradstreifen und Parkstreifen verringert das Risiko von Unfällen durch öffnende Türen
- 15 bis 20 cm breite, durchgehende weiße Linie
- 10 cm breite, durchgehende weiße Linie
Um einen ersten Eindruck vom Radverkehr zu erhalten, wenn noch nicht gemessen wird, ist unsere weltweite Übersicht der Fahrrad-Displays eine nützliche Ressource, die Informationen zum Radverkehr an unterschiedlich großen Orten überall auf der Welt gibt: https://eco-display-map.eco-counter.com/.
Gestaltung von Fußgängerüberwegen
Ähnlich wie bei Radwegen unterstreicht auch dieses Beispiel, wie wichtig es ist, Daten für die korrekte Dimensionierung von Infrastrukturen zu erheben: Ist der Fußgängerüberweg breit genug?
Dank multimodaler Zähler, die große Kreuzungen oder Bereiche mit verschiedenen Zonen analysieren können ( wie unser CITIX-AI Evo-Zähler), ist es jetzt möglich, eine Infrastruktur präzise zu analysieren und aufschlussreiche Informationen zu ihrer Neuplanung zu erhalten.
Im untenstehenden Beispiel wurde ein Fußgängerüberweg analysiert, um festzustellen wie viel Prozent des gesamten Fußverkehrs außerhalb des markierten Bereiches verläuft. Waren es an Wochentagen 5 %, kletterte der Prozentsatz an Wochenenden auf 15 % – ein starkes Indiz dafür, dass dieser Zebrastreifen verbreitert werden muss!
Krümmungsradien
Ein weiterer interessanter Punkt bei der Gestaltung hochwertiger Infrastrukturen ist die Frage nach Krümmungsradien (einfach ausgedrückt: „Wie kurvenreich oder verwinkelt ist der Weg?“).
Die European Cyclists’ Federation betont, wie bedeutsam große Kurvenradien für die Radinfrastruktur ist, damit Radfahrer:innen an Kreuzungen sicher die Richtung ändern und Kollisionen vermeiden können. Im Allgemeinen wird empfohlen, dass ein Kurvenradius von 20 bis 25 m für eine Nenngeschwindigkeit von 30 km/h erforderlich ist.
Die ausführlichen Erkenntnisse finden sich im Design Parameter Report.
Umgekehrt empfehlen sich für motorisierte Fahrzeuge, die Radwege kreuzen, engere Kurven, um deren Geschwindigkeit zu verringern und die Sicherheit zu erhöhen. Übermäßig große Kurven verleiten nämlich zu hohem Tempo, wodurch eher Konfliktsituationen mit dem Fuß- und Radverkehr entstehen.
Die Durchschnittsgeschwindigkeit der Nutzergruppen zu messen, kann sehr hilfreich sein, um zu verstehen, wie der jeweilige Bereich genutzt wird, bevor man entscheidet, wie die Infrastruktur aussehen soll! Unsere neue CITIX-AIEvo-Kamera kombiniert die Geschwindigkeitsmessung für 8 Nutzerkategorien und liefert präzise Informationen zum Tempo von Fahrrädern sowie motorisierten Fahrzeugen (Autos, Busse usw.), damit die jeweilige- Infrastruktur- sachgerecht geplant und umgesetzt werden kann.
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Was für eine tolle und weite Kurve!
Wie findet man die richtige Dimensionierung für Fußgänger- und Fahrradwege?
Von den einfachsten bis zu den komplexesten Infrastrukturen bieten wir eine komplette Palette an Lösungen, um die Frage zu beantworten: „Wie dimensioniere ich meine Fußgänger- und Fahrradwege korrekt?“
Von einer einfachen Lösung (ein physischer Zähler, der an einem bestimmten Standort installiert wird) bis hin zu fortgeschrittenen Lösungen wie dem Abgleich mehrerer Datenquellen (wie bei den Lösungen Cycling Insights oder VisitorFlow) oder tiefgreifenden Studien unseres Datenteams gibt es je nach Budget und Zielen unterschiedliche Möglichkeiten, diese Frage zu beantworten!