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Besucherlenkung für nachhaltigen Tourismus

Geschrieben von Raphael Chapalain | 27.06.2025

Der nachhaltige Umgang mit Natur- und Schutzgebieten zählt zu den größten Herausforderungen des Naturtourismus. Verantwortliche in Parks, Reservaten und Naturlandschaften stehen vor der Aufgabe, ein positives Besuchererlebnis  zu ermöglichen – ohne dabei die ökologische Belastbarkeit dieser sensiblen Räume zu überschreiten.

Ob in der Hauptsaison mit hohem Andrang oder im Alltag: Ein durchdachtes, datenbasiertes Besuchermanagement ist entscheidend, um Naturerlebnisse nachhaltig zu gestalten und gleichzeitig die Biodiversität zu schützen.

Île de Bréhat, eine malerische Insel in der Bretagne, zählt zu den beliebtesten Reisezielen an der französischen Küste. Sie gilt auch als Paradebeispiel für effektives Besuchermanagement im nachhaltigen Tourismus. Die kleine Insel zeigt eindrucksvoll, wie wichtig eine gezielte Steuerung der Besucherströme - besonders in der Hauptsaison - ist, um das touristische Erlebnis zu verbessern und gleichzeitig die Umwelt zu schützen.

Laut einer Umfrage auf dem Jahr 2022, gibt es einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Besucher:innen und ihrer Zufriedenheit. Je mehr Menschen sich gleichzeitig auf der Insel aufhalten, desto höher ist die Unzufriedenheit. Überfüllte Wege, Wartezeiten und eingeschränkter Zugang zu Sehenswürdigkeiten beeinträchtigen das Besuchererlebnis erheblich. 

Ein zentraler Erfolgsfaktor ist die Erhebung und Auswertung von Nutzungsdaten. Durch die gezielte Analyse lassen sich die Besuchererlebnisse in Naturräumen nachhaltig verbessern. 

Besuchererlebnisses mit Reservierung und Förderung nachhaltiger Mobilität: der Acadia-Nationalpark (USA)

Der Acadia-Nationalpark in Maine zählt zu den meistbesuchten Nationalparks in den USA – und ist zugleich einer der kleinsten. Mit über vier Millionen Besuchern pro Jahr steht der Park vor der Herausforderung, den Naturtourismus nachhaltig zu gestalten und das Besuchererlebnis dauerhaft zu sichern.

Trotz seiner vergleichsweise geringen Fläche von rund 20.000 Hektar beeindruckt Acadia mit einer vielfältigen Landschaft aus Bergen, Wäldern und Küstenlinien. Als erster Nationalpark, der durch private Grundstücksspenden gegründet wurde, hat Acadia zudem eine besondere historische Bedeutung.

Sonnenuntergang am Cadillac Mountain im Acadia-Nationalpark
Photo by Sam Mallon/Friends of Acadia

Die steigende Beliebtheit des Parks stellt die Verantwortlichen vor zentrale Fragen:

  • Wie viele Menschen besuchen den Park täglich?
  • Wo halten Sie sich auf?
  • Wie kann man das Besuchererlebnis verbessern, ohne die Natur zu überlasten? 

Reservierung für motorisierte Fahrzeuge

Ein markanter Anziehungspunkt im Acadia-Nationalpark ist der Cadillac Mountain – mit 466 Metern der höchste Punkt an der Ostküste der USA. Vor allem bei Wanderbegeisterten und Liebhaber:innen von Sonnenuntergänge ist der Gipfel besonders beliebt. Dies führte in der Vergangenheit jedoch immer wieder zu starken Verkehrsaufkommen und damit verbundenen Zugangsproblemen. 

Um die Belastung zu verringern wurde ein digitales Reservierungssystem für Autofahrende eingeführt: Wer mit dem Auto auf den Cadillac Mountain fahren möchte, muss vorab ein Zeitfenster buchen. Ohne eine Reservierung bleibt die Zufahrt gesprrt. Diese Maßnahme dient mehreren Zielen:

  • Reduzierung des Verkehrsaufkommens
  • Schutz sensibler Naturbereiche
  • Sicherstellung der Durchfahrt für Rettungsdienste
  • Verbesserung der Aufenthaltsqualität am Gipfel

Verkehrsstau in der Nähe von Sand Beach im Acadia-Nationalpark (Foto: ©Sam Mallon/Amis d'Acadia)

Besucher, die den Gipfel zu Fuß oder mit dem Fahrrad erklimmen, benötigen keine Reservierung. Damit setzt der Acadia-Nationalpark ein klares Zeichen für nachhaltige Mobilität und belohnt klimafreundliches Verhalten mit freiem Zugang. Dieses Modell trägt nicht nur zur Entlastung der Straße bei, sondern fördert auch eine bewusstere Auseinandersetzung mit der Umgebung – ein klarer Pluspunkt für den sanften Tourismus

Doch wie lässt sich die Wirkung dieser Maßnahme messen? Die Antwort: mit Personenzählern an strategisch wichtigen Zugängen, die nur zu Fuß oder per Fahrrad erreichbar sind. Diese Personenzähler liefern wichtige Daten darüber, wie viele Besucher den Gipfel umweltfreundlich erreichen – und wie sich dieser Anteil im Zeitverlauf verändert. So können die Verantwortlichen des Nationalparks  künftig genau erkennen, ob beispielsweise ein Anstieg von 10 % oder sogar 25 % bei den nicht-motorisierten Besuchen erfolgt.

 

Besucherstromanalyse und Steuerung im Parc Miribel Jonage (Frankreich)

Der französische Parc Miribel Jonage – ein 2.200 Hektar großes Naturareal nahe Lyon – zeigt, wie digitale Zählsysteme und gezielte Mobilitätsmaßnahmen helfen können, Besucherströme zu analysieren, frühzeitig zu steuern und die Qualität des Naturerlebnisses zu sichern. 

Der Park ist dabei weit mehr als nur ein beliebtes Naherholungsgebiet. Er dient gleichzeitig als zentrale Trinkwasserreserve für rund 95 % der Region Lyon. Aufgrund seines besonderen Naturwerts ist das Gebiet gleich mehrfach klassifiziert: als Natura 2000-Gebiet, als „Espace Naturel Sensible“ (besonders schützenswerter Naturraum) sowie als ZNIEFF (Zone Naturelle d’Intérêt Écologique, Faunistique et Floristique).

Seit einiger Zeit werden Zählsysteme für Zufußgehende, Radfahrende und Autos eingesetzt, um das Gelände effektiver zu überwachen. Die gewonnenen Besucherdaten erlauben es, Auslastungsschwellen zu definieren – etwa für normales Parkverhalten, Parken außerhalb der Parkfläche oder die Sättigung des Geländes.

Die gesammelten Daten über die Besucherzahlen ermöglichten es, die Anzahl der vor Ort befindlichen Autos zu ermitteln und verschiedene Schwellenwerte für die Anwesenheit festzulegen: regelmäßiges Parken, wildes Parken und Sättigung des Standorts.

Diese Überlastung ist besonders kritisch, da sie den Busverkehr behindert – zeitweise können öffentliche Verkehrsmittel den Park gar nicht mehr erreichen. Um dem entgegenzuwirken und die Umweltauswirkungen zu minimieren, wurden Maßnahmen zur Förderung des öffentlichen Nahverkehrs und des Radverkehrs umgesetzt:

  • Eine neue Expressbuslinie verkürzt die Fahrzeit im Vergleich zu regulären Linien um ein Drittel.
  • Der Ausbau eines Radwegnetzes auf ca. 75 Kilometer, um die Anreise mit dem Fahrrad attraktiver zu gestalten und den Individualverkehr zu reduzieren.

Die Analyse der Besucherströme ergab zudem, dass rund 50 % der Besucher:innen über den historischen Haupteingang in den Park gelangen, während nur etwa 16–20 % den Eingang "Machet" nutzen. Um die Zugänge gleichmäßiger zu verteilen, wurden Beschilderung und Kommunikationsmaßnahmen angepasst. Durch fortlaufende Zählungen kann die Wirkung dieser Maßnahmen kontinuierlich gemessen und optimiert werden.

Datenbasiertes Parkmanagement im Mont Royal-Park (Kanada)

Der Mont-Royal-Park, eine der bekanntesten Grünflächen in Montréal, wurde 1876 eröffnet und ist Teil der Mont Royal Heritage Site – dem ältesten kommunal geschützten Naturraum Québecs. 

Mont-Royal-Park (Bibersee)

Um Aspekte wie Zugänglichkeit, Schutz der Natur, kulturelle Aufwertung, Parkbetrieb und Planung datenbasiert steuern zu können, hat die Stadt Montréal in den drei zentralen Parks – Mont-Royal, Jeanne-Mance und Tiohtia:ké Otsira'kehné – insgesamt 22 Zählsysteme installiert. Diese umfassen permanente Personenzähler (PYRO Box) sowie temporäre Fahrradzähler, mit deren Hilfe Besucherströme systematisch erfasst werden.

Die Stadtverwaltung betont den Nutzen der Daten: „Sie sind ein echtes Steuerungsinstrument: Wir können Maßnahmen gezielter planen, Angebote besser auf die Nachfrage abstimmen und verstehen, wie sich Besucher im Park verteilen.“

Praktische Anwendungen im Parkalltag

  • Wintersport-Angebote: Nutzung der Loipen und Schneeschuhtrails im Winter wird analysiert

  • Wegeinstandhaltung: Bedarf an nachhaltigem Ausbau von Nebenwegen in bewaldeten Zonen kann belegt und kommuniziert werden

  • Fahrradnutzung: Grad der Nutzung wird erfasst, ebenso wie potenzielle Nutzungskonflikte mit anderen Besuchergruppen

  • Umweltschutz: Durch GPS-gestützte Daten lassen sich illegale Outdoor-Aktivitäten wie Offroad-Radfahren und Mountainbiking erkennen – wichtige Hinweise, um empfindliche Ökosysteme zu schützen

Entwicklung der Besucherzahlen

Laut einer Studie von 2006 verzeichnete der Mont-Royal-Park damals rund 4,5 Millionen Besucher:innen jährlich, der Parc Jeanne-Mance etwa 2,5 Millionen.

Im Jahr 2024 lag das Besucheraufkommen im Mont-Royal-Park bei mindestens 4,8 Millionen Besuchern, und das, obwohl bislang nur etwa 80 % der Zugangsbereiche systematisch erfasst werden.

Seit der Einführung der Zähler konnte ein Anstieg der Besucherzahlen um 6,6 % zwischen 2022 und 2023 festgestellt werden. Zwischen 2023 und 2024 betrug der Anstieg sogar 8,8%.

Diese Entwicklung lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen: den Trend zu urbaner Naherholung, das Bevölkerungswachstum in Montréal sowie veränderte Freizeitgewohnheiten nach der Pandemie.

Schlussfolgerung

Nachhaltiges Besuchermanagement ist entscheidend, um sensible Natur- und Schutzgebiete langfristig zu bewahren und gleichzeitig ein positives Erlebnis für Besucher zu gewährleisten. Die Beispiele aus der Bretagne, den USA, Frankreich und Kanada zeigen eindrucksvoll, wie datenbasierte Ansätze helfen, Besucherströme zu steuern, ökologische Belastungen zu reduzieren und die Infrastruktur gezielt weiterzuentwickeln. Ob durch Reservierungssysteme, digitale Zählungen oder die Förderung umweltfreundlicher Mobilität – die Nutzung präziser Besucherdaten ermöglicht eine effektive Balance zwischen Naturschutz und Tourismus, die den Anforderungen wachsender Besucherzahlen gerecht wird.